„Wir müssen das bestehende und das sich entwickelnde Recht im Blick haben.“

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg, Prof. Dr. Tobias Keber, im Interview mit der BvD-News.

Prof. Dr. Tobias Keber: Wir befassen uns aktuell sehr intensiv mit den neuen Daten- und Digitalakten der EU, vor allem mit der KI-Verordnung. Unabhängig davon gilt nach wie vor die DSGVO. Auch in einer digitalen und vermeintlich künstlich intelligenteren Welt. Wir müssen das bestehende und das sich entwickelnde Recht im Blick haben, um verantwortliche Stellen wirksam zu beraten. Wir wollen technische Entwicklungen fördern, bei denen Datenschutz von Anfang an in der Technikgestaltung mitgedacht wird.

Prof. Dr. Tobias Keber: Datenschutz wird mit fortschreitender technischen Entwicklung erkennbar wichtiger für die Menschen. Wenn wir dem technischen Fortschritt trauen und gesellschaftlich neue Techniken nutzen sollen, müssen wir auch einen Schutzraum in der digitalen Welt haben. Diesen Schutzraum bietet der Datenschutz. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz kann viele gute Entwicklungen stärken, etwa eine bessere medizinische Behandlung von Patient_innen. Zugleich müssen aber datenschutzrechtliche Anforderungen beachtet werden. Wir müssen Datenschutz und KI zusammenbringen. Ohne Vertrauen werden sich neue Techniken nicht etablieren lassen. Zentrale vertrauensstiftende Maßnahme ist der Datenschutz. Deswegen befassen wir uns in Baden-Württemberg intensiv mit den rechtlichen, technischen und gesellschaftlichen Fragen in Zusammenhang mit dem Einsatz von KI. Wir entwickeln uns weiter zu einem Kompetenzzentrum für Datenschutz und KI.

Prof. Dr. Tobias Keber: Wir beraten Behörden und Unternehmen, bieten Schulungen in unserem hauseigenen Bildungszentrum BIDIB. Wir haben mit unserem Diskussionspapier „Rechtsgrundlagen im Datenschutz beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz“ eine Hilfestellung formuliert. Das Papier wird stark nachgefragt, auch im europäischen Raum. Deswegen haben wir auch eine englische Übersetzung vorgelegt. Hinzukommt: Wir organisieren einmal im Jahr, in diesem Jahr vom 30. September bis zum 2. Oktober, eine KI-Woche. Dazu laden wir herausragende Expert_innen aus der Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Kultur ein, um über den aktuellen Stand von KI zusprechen und Ausblicke zu formulieren. Wir fördern den interdisziplinären Austausch. Behörden und Unternehmen brauchen jetzt Beratung und nicht erst, wenn die KI-Verordnung zur Anwendung kommt. Deswegen bieten wir so viel Wissen und Beratung an, wie es uns unsere Möglichkeiten erlauben. Wir verstehen uns als lernende Institution, was wir mit dem Format des Diskussionspapiers unterstrichen haben, das nicht das letzte Arbeitspapier bleiben soll.

Prof. Dr. Tobias Keber: Wir warten auf die nationale Regelung. Diese wird sich auch innerhalb der Leitplanken der KI-Verordnung halten müssen. Ich halte es für sinnvoll, im Lichte der neuen Techniken klar zu regeln, was im Beschäftigtenkontext geht und was nicht. Für die Beschäftigten ist es wichtig, dass sie beispielsweise auch beim Einsatz von KI im Arbeitsumfeld, wo technisch hochinvasive Datenauswertungen denkbar sind, bestmöglichen Schutz haben.

Prof. Dr. Tobias Keber: Der Zugang zu amtlichen Informationen ist wichtiger denn je. Deep Fakes, dubiose Internetseiten, auf denen Falschmeldungen kursieren und die Informationsmenge insgesamt nehmen zu. Dass öffentliche Stellen hier so viele valide Informationen wie möglich zur Verfügung stellen, damit sich die Menschen seriös und fundiert informieren können, ist für den demokratischen Prozess essentiell. Informationsfreiheit als vertrauensstiftendes Moment braucht indes Struktur und Kapazitäten, technisch wie personell. Derzeit ist also ein guter Zeitpunkt für die Schaffung und den Ausbau eines Transparenzportals, natürlich korrespondierend mit einem Transparenzgesetz in Baden-Württemberg.

Prof. Dr. Tobias Keber: Wir beobachten die Entwicklung. Wir nehmen wahr, dass sich die Zahl der Beschwerden auf einem hohen Niveau einpendelt. Im vergangenen Jahr hatten wir rund 3800 Beschwerden, etwa so viele wie vor der Corona-Pandemie. Während der Corona-Pandemie lag die Zahl deutlich höher mit rund 4700 Beschwerden in den Jahren 2020 und 2021.

Prof. Dr. Tobias Keber: Ein gutes Beispiel aus der Wissenschaft mit direkter Schnittstelle zur Datenschutzpraxis ist die Forschung an Privacy Enhancing Technologies. Dabei geht es um Technologien und Konzepte, die die Nutzung von Daten unter Wahrung des Datenschutzes und der Privatsphäre ermöglichen. Hier brauchen wir noch mehr Projekte in Zusammenarbeit mit interdisziplinären Forschungsteams, nicht nur, aber auch mit Blick auf KI. Leisten kann die Wissenschaft das allerdings nur, wenn ausreichend Ressourcen bestehen. An dieser Stelle sollten wir intensiv investieren, denn das gewährleistet nachhaltige Digitalisierung, die uns – und da- von bin ich überzeugt – auch im internationalen Wettbewerb langfristig nach vorne bringen kann.

Tobias Keber

Prof. Dr. Tobias Keber, der nach seinen beiden juristischen Staatsexamina zunächst als Rechtsanwalt tätig gewesen ist, war vor seinem Wechsel zum Landesdatenschutzbeauftragten Professor für Medienrecht und Medienpolitik in der digitalen Gesellschaft an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart, wo er außerdem im Leitungsgremium des Instituts für Digitale Ethik (IDE) saß. Zugleich lehrte er Internetrecht im Masterstudiengang Medienrecht am Mainzer Medieninstitut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Keber ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD), Herausgeberbeirat der Fachzeitschrift Recht der Datenverarbeitung (RDV) und Autor zahlreicher Fachpublikationen zum nationalen und internationalen Medien-, IT- und Datenschutzrecht.

Das Interview führte

Christina Denz


ist Journalistin, Kommunikationsberaterin und Redakteurin der „BvD-News“.

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