Karsten Füllhaase

Interview: „Wer nur nebenbei Datenschutz machen soll, ist schnell überlastet.“

Zum ersten Datenschutztag für behördliche und kommunale Datenschutzbeauftragten laden die Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit aus Rheinland-Pfalz und Hessen gemeinsam mit dem Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschland (BvD) e.V ein. Ein Interview über die Herausforderungen für kommunale und behördliche Datenschutzbeauftragte und das Angebot der Aufsichtsbehörden mit Prof. Dr. Alexander Roßnagel, dem Hessischen Datenschutzbeauftragten, dem rheinland-pfälzischen Datenschutzbeauftragten Prof. Dieter Kugelmann und BvD-Vorstandsmitglied Jürgen Hartz.

Wie kam es zu der Idee, einen eigenen Behördentag in Frankfurt am Main ins Leben zu rufen?

Jürgen Hartz: Wir sehen schon seit geraumer Zeit, dass die Datenschutzbeauftragten in Behörden und kommunalen Verwaltungen ganz eigene Fragen haben. Bei den sonst üblichen Veranstaltungen und Schulungen geht es eben vorrangig um Themen aus dem nicht-öffentlichen Bereich und die Mitte in Deutschland schien uns dafür ein geeigneter Ort zu sein, um vielen die Anreise und Teilnahme zu erleichtern. Der Tag ist übrigens nicht nur für Datenschutzbeauftragte in den Kommunen und Verwaltungen von Hessen und Rheinland-Pfalz interessant, sondern für solche Datenschutzbeauftragte aus ganz Deutschland.

Prof. Alexander Roßnagel: Wir hatten schon seit längerem mit dem Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands darüber gesprochen, dass ein solcher Tag zentral mitten in Deutschland interessant wäre. Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass wir unsere Landesnachbarn aus Rheinland-Pfalz dazu gewinnen konnten, einen solchen Tag durchzuführen.

Prof. Dieter Kugelmann: Als beide Organisationen auf mich zukamen, habe ich sofort zugesagt. Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen machen wir für die Zielgruppe der behördlichen und kommunalen Datenschutzbeauftragten in den verschiedenen Regionen von Rheinland-Pfalz bereits viele Veranstaltungen. Diesen Ansatz überregional weiterzuverfolgen mit dem BvD und den hessischen Kolleginnen und Kollegen fanden wir reizvoll. Zum anderen können wir den Austausch zwischen unseren Aufsichtsbehörden noch mal intensivieren. Wir arbeiten ja schon seit Jahren eng zusammen. Das nach außen sichtbar zu machen, ist einfach eine gute Idee.

Welche Herausforderungen stellen sich speziell für Datenschutzbeauftragte in der Verwaltung?

Prof. Dieter Kugelmann: Wir sind vor einiger Zeit im Rahmen eines Kommunalprojekts in die Kommunen von Rheinland-Pfalz gefahren, um zu sehen, wie die Stimmung unter den dortigen Datenschutzbeauftragten ist. Eines der Ergebnisse war, dass viele von ihnen nur nebenbei, manchmal mit nur fünf Prozent ihrer Arbeitszeit, den Datenschutz im Hause koordinieren sollen. Dabei erfordert die Datenschutz-Grundverordnung unserer Ansicht nach je nach Größe der Verwaltung 25 bis 40 Prozent Arbeitszeit vor. Das aber löst bei vielen Kommunen sofort Ängste aus, der Landesrechnungshof könnte dies beanstanden. Wir haben dann mit dem Rechnungshof gesprochen und eine Lösung gefunden. Aber mit mancher Kommune bleibt es schwierig.

Prof. Alexander Roßnagel: Dabei fallen gerade in den Kommunen, etwa auch bei der Polizei, sehr viele Daten an. Wer dann nur nebenbei Datenschutz machen soll, ist schnell überlastet. Auch ist zu beobachten, dass in kleineren Gemeinden jemand einfach zum Datenschutzbeauftragten ernannt wird, die betroffene Person aber überhaupt nicht weiß, was sie machen soll. Wo bekommt sie Informationen her? Wo gibt es Weiterbildungen, Checklisten, Hilfen, Gesetzesverweise? Eine Ausbildung für behördliche Datenschutzbeauftragte gibt es nicht. Und Weiterbildungen muss der Dienstherr genehmigen. Der Bedarf dafür wird bei der Hausspitze aber nicht immer gesehen.

Jürgen Hartz: Als Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands sehen wir es auch deshalb als unsere Aufgabe an, diese Gruppe zu stärken, Hilfsmittel bereit zu stellen und eben mit dieser Veranstaltung bei ihren Fragen zu unterstützen. Denn oft stehen die Datenschutzbeauftragten in Kommunen und Ämtern wirklich auf verlorenem Posten und sind leider im BvD noch eine sehr kleine Gruppe. Darum sind der Austausch und ein gutes Netzwerken besonders wichtig. Und dafür ist dieser erste Behördentag auch da. Darüber hinaus bieten wir in unseren Regional-Gruppen die Chance zum persönlichen Austausch. Es ist oft schon hilfreich zu erfahren, dass Kollegen mit genau den gleichen Herausforderungen kämpfen wie man selbst.

Welche Themen stehen konkret auf der Tagesordnung?

Prof. Dieter Kugelmann: Unter anderem wird es um die Öffentlichkeitsarbeit etwa über Social-Media-Kanäle der Kommunen gehen, die Digitalisierung in der Verwaltung spielt eine große Rolle, auch die Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Behörden und Ämtern.

Prof. Alexander Roßnagel: Uns war wichtig, die drängendsten Fragen der Datenschutzbeauftragten in Behörden und Kommunen aufzugreifen, und von uns als Aufsichtsbehörden Antworten zu geben. Daneben ist gerade der länderübergreifende Austausch zwischen den Datenschutzbeauftragten besonders wichtig. Zu sehen, dass sie womöglich mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, aber eine Seite vielleicht schon etwas weiter ist, das kann anderen helfen. Der Austausch von Best-Practice-Beispielen, das ist auch ein weiteres Ziel der Veranstaltung.

Welche Rolle spielt die Begegnung mit den Aufsichtsbehörden für die Datenschutzbeauftragten?

Jürgen Hartz: Wir machen oft die Erfahrung, dass Datenschutzbeauftragte anfangs befürchten, im Gespräch mit den Aufsichtsbehörden etwaige Schwachstellen preis zu geben. Aber wenn sie sich dann doch getraut haben, erleben sie, wie kooperativ und unterstützend die Aufsichtsbehörden sind. Das ist eine wichtige Erfahrung, die die Arbeit der Datenschutzbeauftragten nachhaltig verändern kann. Natürlich machen uns die Aufsichtsbehörden nicht unsere Hausaufgaben, aber wer gut vorbereitet in die Gespräche geht, kann davon, nach meinen persönlichen Erfahrungen, nur gewinnen.

Prof. Dieter Kugelmann: Wir ermutigen die Datenschutzbeauftragten ausdrücklich, mit uns ins Gespräch zu kommen. Wenn sie erleben, dass sie mit uns reden können und das weitergeben, dann war die Veranstaltung aus unserer Sicht ein voller Erfolg.

Prof. Alexander Roßnagel: Wir wollen die Datenschutzbeauftragten gerade in den Verwaltungen und Kommunen stärken. Deshalb fände ich es toll, wenn sie von diesem Tag in Frankfurt mit durchgedrücktem Kreuz wieder nachhause fahren und sich sagen: ‚Jetzt traue ich mich, dies oder jenes durchzusetzen’.

Information:

Der 1. Datenschutztag Hessen & Rheinland-Pfalz findet am 28. Juni 2022 in Frankfurt am Main statt. Es gibt noch wenige freie Plätze.

Information und Anmeldung