Nadja Bunk

Marit Hansen verklagt Staatsanwaltschaft Kiel auf Schadenersatz

Die Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein Marit Hansen hat die Staatsanwaltschaft Kiel persönlich auf Schadensersatz wegen Datenschutzverletzungen gemäß § 83 BDSG verklagt. Die Klage, bei der eine Aneinanderreihung von Verstößen der Staatsanwaltschaft Kiel im Zentrum steht, ist unter dem Aktenzeichen 9 O 189/21 beim Landgericht Kiel anhängig. Dies teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, Rechtsanwalt Dr. Jens Eckhardt, Kanzlei dmp –Derra, Meyer & Partner, Düsseldorf mit.

Hintergrund der Klage ist nach Auskunft von Dr. Eckhardt, Fachanwalt für IT-Recht und Datenschutz-Auditor (TÜV), der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Kiel schutzwürdige Inhalte aus der Ermittlungsakte eines Verfahrens gegen Marit Hansen offenbart habe. Dies sei im Rahmen einer Akteneinsicht erfolgt, die die Staatsanwaltschaft Kiel (in einem anderen Verfahren) just der Person gewährt habe, die zuvor durch falsche bzw. nicht erwiesene Vorwürfe das Verfahren gegen Frau Hansen in Gang gebracht hatte und gegen die sodann strafrechtlich ermittelt worden war. Das Verfahren (gegen Marit Hansen) sei aber ohne Tat- und Schuldnachweis eingestellt worden.

Nach Auffassung von Dr. Eckhardt hat die Staatsanwaltschaft dadurch gleich mehrere Datenschutzbestimmungen verletzt.

Das Besondere an der Sache sei zudem, dass die Staatsanwaltschaft Kiel zuvor selbst festgestellt habe, dass die Gewährung der Akteneinsicht an den Anzeigenerstatter das Persönlichkeitsrecht von Marit Hansen verletze. Gleichwohl habe sie ihm Akteneinsicht gewährt und sogar Kopien der schutzwürdigen Dokumente überlassen. Hinzu sei gekommen, dass die Staatsanwaltschaft Kiel in ihrer Selektion der Aktenbestandteile auf die Richtigstellungen der Verteidigung im damaligen Verfahren verzichtet habe, sodass ein falsches Bild vermittelt wurde.

Für Marit Hansen habe der Verstoß gegen Datenschutzvorschriften verheerende Folgen gehabt, da der Anzeigenerstatter die im Rahmen der Akteneinsicht erhaltenen Informationen sodann gegen Frau Hansen verwendet hatte. Er habe die Informationen insbesondere an die Landtagsfraktionen im Kieler Landtag versandt, als Marit Hansen für eine zweite Amtszeit als Landesbeauftragte für Datenschutz kandidierte.

Dr. Eckhardt sieht im Verhalten der Staatsanwaltschaft Kiel ein zum Schadenersatz verpflichtendes Verhalten.

Hinzu komme, dass dieselbe Staatsanwaltschaft Frau Hansen bereits zuvor durch eine rechtsstaatswidrige Verzögerung im Ermittlungsverfahren beeinträchtigt habe. Das habe das OLG Schleswig bereits festgestellt.

Im Einzelnen wirft der Anwalt von Frau Hansen der Staatsanwaltschaft Kiel gleich vier gewichtige Rechtsverletzungen vor:

  • Die Staatsanwaltschaft Kiel habe Inhalte aus der Ermittlungsakte gegen Hansen als Kopien zur Ermittlungsakte gegen den früheren Anzeigenerstatter genommen, obgleich die Staatsanwaltschaft Kiel selbst die fehlende Relevanz dieser Unterlagen für dieses Ermittlungsverfahren sowie die Verletzung des Persönlichkeitsrechts von Marit Hansen im Falle der Herausgabe dargelegt hatte. Dieser Datenschutzverstoß habe überhaupt erst die Offenlegung unter dem vermeintlichen Denkmantel der Akteneinsicht ermöglicht.
  • Die Strafprozessordnung sehe auch bei der Akteneinsicht des Beschuldigten Regelungen zum Persönlichkeitsrechtsschutz und zum Datenschutz Dritter vor (§ 147 StPO). Denn das Recht eines Dr. Jens Eckhardt, dmp Derra, Meyer & Partner Rechtsanwälte PartGmbB, Düsseldorf, Ulm, Berlin Beschuldigten auf Akteneinsicht bestehe nicht uneingeschränkt. Bei Beachtung dieser zum Schutz auch von Frau Hansen bestehenden (Datenschutz-)Regelungen hätte die Verletzung der Rechte seiner Mandantin vermieden werden können. Die Strafprozessordnung verlange in § 32f StPO außerdem bei Erteilung der Akteneinsicht einen Hinweis an den Beschuldigten, dass er die Informationen ausschließlich zu seiner Verteidigung in diesem Verfahren verwenden dürfe. Auch diese Hinweispflicht habe die Staatsanwaltschaft Kiel missachtet.
  • Schließlich habe es die Staatsanwaltschaft Kiel bis heute unterlassen, Marit Hansen über die datenschutzrechtswidrige und StPO-widrige Offenbarung und deren weitere Umstände zu benachrichtigen, obwohl eine solche Pflicht explizit für Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten vorgesehen sei. Die Staatsanwaltschaft Kiel beraubte Frau Hansen damit der Möglichkeit, Kenntnis über den Vorgang und das Ausmaß der Rechtsverletzung zu erhalten und sich – soweit überhaupt noch möglich – zu schützen. Bis heute hat die Staatsanwaltschaft Kiel die vorgeschriebene Benachrichtigung nicht vorgenommen.

Anders als vielleicht ein nur einzelner Verstoß macht die Aneinanderreihung dieser Verstöße und die bis heute andauernde Verweigerung der Staatsanwaltschaft Kiel, Klarheit über den Vorgang zu schaffen, eine gerichtliche Klärung erforderlich und unvermeidbar, so Dr. Eckhardt.